Götze-Transfer: Eine Frage der Tradition

  • Methode sei das nicht. Zumindest nicht mehr. Das versicherte Uli Hoeneß noch im Februar 2012. In einer Zeit, in der alte Zitate von Hoeneß rückwirkend auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft werden, verdient auch dieses einer besonderen Beobachtung. "Ehrlich, es ist überhaupt nicht unser Interesse, den anderen zu schwächen", hatte Hoeneß vor rund zwei Monaten gesagt. "Das haben wir früher mal gemacht, aber das kann nur ein Nebenaspekt sein."
    Ob Neben- oder Hauptaspekt: Wenn ein Gegner sich aufschwingt, zu einer ernsthaften Konkurrenz zu werden, haben die Bayern schon seit jeher aufs berühmte Festgeldkonto zurückgegriffen. Sich selbst stärken und den Gegner schwächen, einen besseren Transfer kann es nicht geben. So wie nun bei Mario Götze von Borussia Dortmund, dem deutschen Meister der vergangenen beiden Jahre und aktuellen Champions-League-Halbfinalisten.


    Watzke spricht von Ammenmärchen
    Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hält die Beteuerungen der Münchner, Spieler nur zur eigenen Verstärkung zu kaufen, für ein Ammenmärchen. "Ich glaube, dass Bayern seit vielen Jahren das gleiche Erfolgsschema verfolgt. Dazu gehört seit jeher auch, den Konkurrenten zu schwächen", sagte er der "Sport Bild". "Wir kalkulieren Angriffe aus München ein. Allen Solidaritätsaussagen zum Trotz."
    Als Urvater jener Bayern-Transfers gilt der von Calle Del'Haye, den die Bayern 1980 - ein Jahr nach Hoeneß' Amtsantritt als Manager - aus Mönchengladbach holten. Für die damalige Rekordsumme von 1,3 Millionen Mark, und das obwohl er überhaupt nicht ins System passt

    Transfers als Machtdemonstration

    Manchmal kauften die Münchner einen Spieler auch deshalb, damit die Konkurrenz ihn nicht bekommt. So beim Aachener Jan Schlaudraff, an dem 2007 auch die Bremer interessiert waren. Man müsse eben mal zeigen, das niemand den Bayern das Wasser reichen könne, sagte Hoeneß damals. Und luchste den Bremern auch noch Miroslav Klose ab.
    Schon den hanseatischen Angriff in den 90ern hatten sie mit den Abwerbungen von Mario Basler, Andreas Herzog oder sogar Trainer Otto Rehhagel abgeblockt. "König Otto" scheiterte in München, doch Werder erholte sich von seinem Abgang über Jahre hinweg nicht.


    Großeinkauf bei KSC und BayerDen aufmüpfigen Karlsruhern "klauten" die Bayern in den 90ern Michael Sternkopf, Mehmet Scholl, Oliver Kahn, Thorsten Fink, Michael Tarnat und Oliver Kreuzer. Der VfB Stuttgart musste 1997, damals DFB-Pokalsieger, Giovane Elber abgeben. 2009 wurde Mario Gomez vom VfB geholt.
    Bayer Leverkusen zauberte 2002 einen Sommer und stand sogar im Champions-League-Finale, dann warben die Münchner Michael Ballack und Ze Roberto ab. Bayer stieg im Jahr darauf fast ab und musste dann aus finanziellen Gründen auch noch Lucio an die Isar transferieren. Schon 1992 hatten sich die Bayern den Leverkusener Jorginho geschnappt.


    Abwerbeversuche als finanzieller Angriff
    Gescheitert sind die Bayern mit ihren systematischen Schwächungsversuchen - auf den ersten Blick - übrigens nur einmal, ausgerechnet beim BVB: Mitte der 90er warben sie um Stefan Reuter, Matthias Sammer und Steffen Freund. Sie alle blieben bei den Westfalen. Und doch hatten die Bayern bei genauerem Hinsehen Erfolg. Denn das Trio pokerte beim BVB sein Gehalt hoch. Der zahlte, um weiter mit dem Branchenprimus mithalten zu können, stand kurz darauf vor dem finanziellen Kollaps und war als Gegner wieder Geschichte.
    Vergangene Woche hatte Hoeneß noch von "spanischen Verhältnissen" gesprochen. Davon, dass es eine Gefahr sei, wenn zwei Mannschaften die Liga nach Belieben dominieren. Gemeint hat er es vielleicht anders als alle verstanden haben. Alle außer Jürgen Klopp. "Ich befürchte eher schottische Verhältnisse", hatte der BVB-Coach gesagt, offenbar gerade von Götzes Wechselabsicht in Kenntnis gesetzt.
    In Schottland ist Celtic Glasgow nach dem Zwangsabstieg von Erzrivale Glasgow Rangers ohne jede Konkurrenz und wurde am Sonntag Meister - zum 44. Mal.


    Quelle: Fussball.de