Quelle:Chemieblogger
Die neu ins Leben gerufene SG Leipzig-Leutzsch gibt nur wenig über sich preis. Gründungsmitglied Jamal Engel spricht lieber über andere. So etwas wie „Ultras“ soll es in seinem Verein nicht geben.
Showdown im Leutzscher Erbfolgestreit: Die BSG Chemie wird zukünftig mit Landesligist Blau-Weiß Leipzig kooperieren und das Spielrecht der ersten Mannschaft übernehmen. Die SG Leipzig-Leutzsch, die voraussichtlich die Nachwuchsmannschaften des FC Sachsen aufnimmt, sieht sich gut aufgestellt und will nun sogar die Oberliga im Alfred-Kunze-Sportpark stemmen. Am Freitag kam die Nachricht aus dem Hause Red Bull, doch kein Interesse am Fünftliga-Spielrecht des FC Sachsen zu haben. Damit stellte sich zugleich die Frage, wer davon profitieren könnte. Jetzt ist klar: Jamal Engel & Co. wollen einspringen. In welcher Spielstätte und Liga die beiden Vereine anteten, ist noch offen. Die endgültige Entscheidung liegt bei den Verbänden und der Stadt Leipzig, die den Alfred-Kunze-Sportpark verpachtet (die Leipziger Volkszeitung berichtet). Unterdessen rätselt nicht nur Fußball-Leipzig, warum die SG Leipzig-Leutzsch überhaupt ins Leben gerufen wurde. Die Maske fällt zusehends – zuletzt sorgte Engel auf Facebook mit einer vielsagenden Äußerung für Irritationen im grün-weißen Lager:
Diese Worte bieten keinen Platz für Missverständnisse. Guido Schäfer und Eberhard Schmiedel (Leipziger Volkszeitung) wissen:
"Nach dem Geschmack der SGL-Protagonisten tummeln sich bei der BSG ein paar nicht immer fröhliche Ultra-Fans zu viel."
In diesen Tagen ist sie wieder zu verspüren, diese mal manifeste, überwiegend jedoch latente Abneigung in weiten Kreisen des FC Sachsen gegenüber den Diablos und „ihrer BallSG“. Seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs 2008 war die BSG Chemie die Projektionsfläche für die Kompensation des eigenen Scheiterns. Der FC Sachsen, egal ob Fans oder Vorstand, verfing sich wiederholt in einer schizophrenen Rhetorik zwischen Verlustbewältigung („Verräter“) und Abgrenzung („Euch braucht hier eh keiner“).
Affekte gegen Ultras und BSG Chemie überleben den FC Sachsen
Zumindest Letzteres war ein Irrtum. Der Verein, zahlreicher kreativer und kritischer Köpfe beraubt, ging zu Grunde. Auch nach der zweiten Insolvenz Anfang 2009 blieb es beim Mantra des unverbesserlichen Weiter-so. Und so riss das Schnellboot, das längst Leck geschlagen hatte, nicht nur Kapitän und Besatzung, sondern auch seine blinden Passagiere mit in die Tiefe. Verbliebene Kritiker und Querköpfe, oder einfach nur Mitglieder und Fans, die etwas verändern wollten, wurden gemobbt, entfernten sich vom Verein, ja vom Leutzscher Fußball insgesamt.
Das Perfide an der ganzen Geschichte: Selbst nach dem endgültigen Aus des FC Sachsen scheint dieser Ungeist weiterzuleben. Im Mai 2011 präsentierte sich der Verein in seinen Strukturen als träges Gebilde. Die Fanszene war ausgezehrt, die Stimmung in Geschäftsstelle und Kurve am Boden. Auf genau diesem Fundament wird die SG Leipzig-Leutzsch eine eigene, gar nicht so unbekannte Vereinskultur errichten. Geld sei auf einmal in Unmengen da, so die omnipräsente Botschaft. Wer es geben soll, bleibt weiter unklar. Wer diesen Verein im Stadion unterstützen soll, auch. Nur eines scheint festzustehen: „Ultras“ sollen es bitte nicht sein. Das ist eine Absage nicht nur an eine spezifische Fankultur, sondern einen ganzen Verein – die BSG Chemie nämlich.
Vereine brauchen engagierte Fans – BSG-Fanszene ist heterogen
Die oberflächliche Ultrà-Kritik à la Engel ist ebenso populistisch wie kurzsichtig. Jeder Verein bedarf engagierter Fans, die ihn auch und gerade in Krisenzeiten begleiten. Was passiert, wenn diese laute und bunte, aber auch kritische und unbequeme Unterstützung ausbleibt, musste jüngst der FC Sachsen erfahren. Die BSG Chemie auf Ultras zu reduzieren, greift darüber hinaus zu kurz. Zwar leistet eine überdurchschnittliche Zahl an Fans Dauersupport. Dem gegenüber stehen aber auch jene Fans, die 90 Minuten lang ihr Bier schlürfen, vom Seitenrand pöbelnd die Leistung des Schiedsrichters dokumentieren oder einfach nur Fußball konsumieren.
Die BSG Chemie ist weit mehr als ein Verein vermeintlicher ‚Selbstdarsteller‘, ‚Gewalttäter‘ und ‚Linksextremisten‘. Sie ist untrennbar verknüpft mit 1964 und Alfred Kunze, mit der Erzählung vom „Rest von Leipzig“. Die Leutzscher Legende kann zumindest im Osten jeder Fußballfan rückwärts vorbeten. Der Mythos BSG Chemie steht für mehr als nur Fußball, erzählt er doch die Geschichte eines reüssierenden Underdogs, von den Anderen in einem System, das keine Alternativen vorsah. In diesem Grundkonsens müssten sich die Akteure der SG Leipzig-Leutzsch unweigerlich wiederfinden können, ginge es ihnen um den Leutzscher Fußball und seinen Nachwuchs.
„Koko“ Kaubitzsch: „Pro BSG Chemie“
Nun verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass es nicht so ist. Die Verhandlungen zwischen beiden Vereinen lägen laut LVZ-Online seit Tagen auf Eis. Hans-Christian „Koko“ Kaubitzsch, der letzte Trainer in der Geschichte des FC Sachsen, begegnet der SG Leipzig-Leutzsch mit Skepsis: Er kenne die Leute und halte die Lösung nicht für ideal. „Ich bin pro BSG Chemie“, sagte er gegenüber LVZ-Online.
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