Wolfgang Lischke, 64, bleibt dem Fußball treu

  • LVZ vom 30.12.2011
    "Er meistert die schwierige Aufgabe des genauen Taktschlagens und der heiklen Einsatzgebung brillant", charakterisierte die österreichische Zeitung "Krone" vor Jahren das Agieren von Wolfgang Lischke. "Konzentriert und engagiert", urteilte die Frankfurter Allgemeine. Letzteres hätte auf alle Fälle auf den einstigen Dynamo-Fußballer zugetroffen, doch die "FAZ" meinte den Dirigenten gleichen Namens, der das Lob auf den Salzburger Festspielen einheimste.
    Fußballer Wolfgang Lischke (64) war im Gegensatz zum Namensvetter kein Dirigent. Dafür ein gefürchteter, weil einsatzstarker und torgefährlicher Stürmer. Zum Laufbahnende wechselte er die Fronten, wurde Verteidiger und machte fortan den Angreifern das Leben schwer. Ursprünglich war er ein talentierter Handballer. "Ich bin durch einen schweren Armbruch zwangsläufig Fußballer geworden und habe dann ein paar mal Glück gehabt, dass ich auf die richtigen Trainer traf", blickt Lischke zurück. Athletisch war er schon zeitig stark. "Doch in der Technikausbildung habe ich Meistertrainer Walter Fritzsch sehr viel zu verdanken."
    Von Stahl Riesa kommend, stürmte er ab 1972 für die Dresdner Dynamos, wurde 1973 DDR-Meister und brachte es bis 1973 sogar auf zwei Europacup-Einsätze für die Schwarz-Gelben. "Allerdings musste ich bei Dynamo um meinen Stammplatz kämpfen", gibt Lischke zu. Deshalb zog er 1973 schon nach 18 Punktspielen weiter zu Chemie Leipzig, wo seine kampfbetonte Spielweise besonders gut ins Konzept passte, obwohl ihn Walter Fritzsch in Dresden halten wollte.
    "Er hat mich immer unterstützt, aber im Grunde genommen fand ich bei Dynamo kaum persönliche Bindung", bekennt Lischke, "meine Zeit in Dresden war zu kurz dafür." Schon sein Empfang im Harbig-Stadion war "kühl". Lischke erklärt: "Kurze Zeit vor meinem Wechsel geriet ich mit Stahl Riesa in einem Duell gegen Dynamo mit Klaus Sammer (Vater von Matthias Sammer/Anm. d. A.) aneinander, wofür dieser dann vom Platz musste. Das hatte mir Sammer wohl nicht vergessen."
    Trotzdem waren vor allem die internationalen Auftritte mit Dynamo ein Erlebnis, selbst dann, wenn er nicht zum Einsatz kam. Über sein vielleicht wichtigstes Match ärgert sich Lischke noch heute: "In Liverpool hatte ich unsere Führung auf dem Fuß, traf aber nur die Latte."
    Da er damals noch unverheiratet war, hielt ihn die Stasi für besonders "fluchtgefährdet". Entsprechend fiel Lischkes Bewachung auf Reisen aus. "In Porto war ich in einem Drei-Bett-Zimmer untergebracht. Die beiden Mitbewohner aus unserer Delegation kannte ich nicht, Spieler von uns waren es keine", berichtet Lischke heute amüsiert. "Und wenn ich nachts aufs Klo musste, stand einer mit auf."
    Solche "internationalen" Probleme hatte er in Leipzig nicht mehr. Die Chemiker pendelten als Fahrstuhl-Mannschaft zwischen erster und zweiter Liga. Reizvoll in Leipzig-Leutzsch war etwas anderes: das besonders heißblütige Publikum (siehe auch Foto vom Oberliga-Aufstieg 1979).Bis 1980 kickte er für die Grün-Weißen. Insgesamt kam Lischke auf 131 Spiele in der DDR-Oberliga. Danach ließ er seine Karriere beim DDR-Ligisten (2. Liga) Chemie Markkleeberg ausklingen.
    Nach der Wende schlug "Lope", wie er von Freunden genannt wurde, die Trainerlaufbahn ein. In 25 Jahren als Übungs­leiter schaffte er zehn Aufstiege. Zunächst coachte er in Schkeuditz, dann in Markkleeberg. Weitere Stationen waren LVB Leipzig, Rotation Leipzig 1950 (Bezirks­liga), Grün-Weiß Wolfen, FC Weißenfels (Verbandsliga Sachsen-Anhalt), FC Markwerben, mit dem er in die Landesliga Sachsen-Anhalt aufstieg. Mit zunehmendem Alter trainierte er kleinere Vereine. Durchaus mit Erfolg, und soeben hat er den Stadtligisten Knaut­kleeberger SC 1864 wieder übernommen, mit dem er schon einmal von der 1. Kreisklasse bis zur Bezirksklasse aufgestiegen war. "Da ich mich noch topfit fühle, ist mir das fast zu wenig", bekennt der ­frühere Berufsausbilder, der seit März Rentner ist. Doch ehrgeizige Ziele hat er nach wie vor: "In dieser starken Stadtliga will ich mit dem KSC im vorderen Drittel landen." Frank Müller