Quelle: Chaosblogger
Leutzscher Teufelskreis
9. Februar 2012
in Chemie Leipzig
„Wenn ihr nicht fusioniert, gehe ich ab August zum Handball, zu DHFK!“
Diese Worte verlor ein Leutzscher Fußballfan letzte Woche Donnerstag, auf dem Fanabend der BSG Chemie. Dabei handelte es sich nicht um einen gewöhnlichen Fanabend, nein vielmehr könnte dieser als „Krisen“-Fanabend bezeichnet werden. Emotional, lautstark, manchmal unstrukturiert aber irgendwie typisch Chemie war er.
Aufgrund massivster Zeitprobleme komme ich erst jetzt dazu, meine Gedanken zur aktuellen Situation der BSG Chemie darzulegen. Irgendwie war in Leutzsch doch schneller alles wie immer, als mir persönlich lieb ist. Doch ist es wirklich alles wie immer?
In der Winterpause kam es, ich denke für viele Chemieanhänger, zu einer überraschenden Veränderung in der Vorstandsetage. Am 24.01.2012 gab der Verein plötzlich bekannt, dass Oliver Krause und Hans-Jörg Leitzke von ihren Ämtern im Vorstand, der BSG Chemie Leipzig, zurückgetreten sind.
Der genaue Wortlaut lautete wie folgt.
„Die BSG Chemie Leipzig e.V. gibt hiermit bekannt, dass der Verein und Oliver Krause sowie Hans-Jörg Leitzke in gegenseitigem Einverständnis ihre Zusammenarbeit beenden. Grund sind unterschiedliche Auffassungen in Hinblick auf die zukünftige Ausrichtung des Vereins.
Die BSG Chemie bedankt sich bei beiden für die geleistete Arbeit und wünscht Oliver Krause und Hans-Jörg Leitzke alles Gute für die Zukunft!
Am Donnerstagabend, den 2. Februar 2012, werden der Vorstand und der Aufsichtsrat der BSG Chemie für Fragen der Fans und Mitglieder in einem Gespräch zur Verfügung stehen. Nähere Angaben zu Ort und Uhrzeit folgen in Kürze.
BSG Chemie Leipzig e.V.“
Quelle: www.chemie-leipzig.de
Für viele Fans stellte dies natürlich erst einmal einen großen Schock dar, und dieser verband sich sofort mit der Ungewissheit über den Fortbestand des Vereins. Gerade Krause, als Macher der Spielrechtsübertragung von Blau Weiss Leipzig an die BSG Chemie und als Präsident des Vereines, stellte in der ersten Saisonhälfte für viele im Verein und auch im Umfeld des Vereins, eine verlässliche Stütze dar. Und Hans-Jörg Leitzke, als die Chemieikone schlecht hin, wird sicherlich auch nicht ohne Grund den Verein verlassen, dachten sich in diesem Moment wahrscheinlich viele.
Insbesondere die unterschiedliche Auffassung über die zukünftige Ausrichtung des Vereines, welche ja in der offiziellen Stellungnahme als Hauptgrund für die Trennung benannt wurde, lässt viele Interpretationen über das „Warum?“ zu.
Diesen Spekulationen wollte der Verein, mit der Ansetzung des Fanabends, auf den 2. Februar und dem Versprechen dort alle Fragen zu den jüngsten Ereignissen zu beantworten, entgegen treten.
Doch bedauerlicherweise wurden die Spekulationen über das „Warum?“ insbesondere durch Aussagen von Oliver Krause angeheizt, indem er sich gegenüber der LVZ-Online wie folgt äußerte.
„Es funktioniert nur in einem gemeinsamen, starken Verein, das ist der einzige praktikable Weg.“
„Man muss sich nicht umarmen, sollte sich aber die Hände reichen.“
Quelle: www.lvz-online.de
Durch diese Aussagen verdichteten sich die Spekulationen darüber, dass Krause, Leitzke und die BSG Chemie getrennte Wege gehen, weil man sich im Leutzscher-Einheits-Thema nicht einige könnte. Dies rief die Fans der Sportgemeinschaft Leipzig Leutzsch auf den Plan, welche sich sofort für Gespräche zur Vereinigung stellten. Jedoch nicht, ohne dabei Bedingungen zu stellen. Insbesondere die Gründung einer Gruppe mit dem Namen „Chemie und SG Leutzsch – Fusion Ja – Diablos RAUS“ in einem sozialen Netzwerk, verdeutlicht diese Bedingungen noch einmal.
Dass diese Bedingung jedoch ein Witz ist, da dadurch viele Chemieanhänger und auch Sympathisanten der Ultras von vornherein ausgegrenzt werden, muss glaube ich nicht noch mal diskutiert werden.
Die Wellen schlugen aufgrund dieser Entwicklung natürlich hoch, vor allem in der Leutzscher Forenwelt. Diese emotionale Debatte sollte dann auch Hauptgegenstand des Fanabends der BSG Chemie werden.
Zunächst einmal muss gesagt werden, dass es überhaupt nicht zu diesen hohen Wellen hätte kommen müssen, wenn erstens Oliver Krause nicht mit seinen Aussagen den Stein ins Rollen gebracht hätte und zweitens die BSG Chemie früher öffentlich den Interpretationsspielraum über den Trennungsgrund eingegrenzt hätte.
Beides ist arg unglücklich gelaufen. Aber insbesondere krauses Aussagen enttäuschten viele Chemiefans, da dieser sich zu seiner Präsidentenzeit ganz anders zum Thema Leutzscher Einheit äußerte.
Wie bereits oben erwähnt, fand am 2. Februar der Fanabend der BSG Chemie statt, auf dem diese Fragen diskutiert werden sollten. Aufgrund der Brisanz und der Aktualität der Ereignisse fanden sich dann circa 100 Fans und Freunde des Leutzscher Fußballsport, insbesondere der BSG Chemie Leipzig ein.
Nachdem sich jedes Vorstandsmitglied sowie jedes Aufsichtsratsmitglied persönlich vorstellte, gab dann das Aufsichtsratsmitglied Dr. Fuchs eine Erklärung zur aktuellen Situation ab. Bedauerlicherweise war diese Erklärung arg allgemein gehalten und kratzte nur minimal an der Oberfläche. Dadurch bekundeten einige Anwesende lautstark ihren Unmut und es wurde nach den wirklichen Ursachen für die Trennung gefragt. Zudem wurde mehrfach lautstark nach der Fusion gerufen.
Insgesamt ließ die Gesprächskultur phasenweise leider zu wünschen übrig. Dennoch konnten Vorstandsmitglied Jörg Theile und Remo Hoffmann zum Abschluss die genaueren Gründe, für mich, verständlich darlegen.
So erfolgte die Trennung insbesondere wegen unterschiedlichen Ansichten über die Fortgestaltung der Nachwuchsabteilung und wegen der, für Oliver Krause neuen Situation, im Team zu arbeiten. Krause ist ein Macher, dem es wohl merklich schwerer fiel, Entscheidungen nicht selbstständig, sondern in Rücksprache mit dem Vorstand treffen zu müssen. So kam es jedenfalls bei mir an. Es wurde noch einmal ausdrücklich betont, dass das Einheits-Thema zu keiner Zeit Gegenstand der Diskussion war und erst recht nicht die Ursache für die Trennung.
Was mir sehr imponiert hatte, war die realistische Darstellung der Zukunft der BSG Chemie. Es wurde ausdrücklich betont, das es keine Schnellboote mehr geben soll und das die BSG Chemie als Stadteilverein ausgerichtet werden soll.
Eine Vorstellung, an der ich persönlich großen Gefallen finden könnte.
Am meisten überraschte mich jedoch, neben der immer wiederkehrenden lautstarken Forderung nach einem Zusammengehen beider Leutzscher Vereine, Aussagen wie „Wir sind Chemie und wir gehören nicht in die 6. Liga!“, „Wir müssen höherklassig spielen!“.
Es ist wahrlich ein Leutzscher Teufelskreis, dass noch immer viele Anhänger des Leutzscher Fußballs nicht verstanden haben, dass es wohl auch auf langfristige Sicht gesehen keinen höherklassigen Fußball in Leipzig-Leutzsch geben wird. Diese Nische ist in unserer Stadt jetzt mit Rasenball besetzt und ich denke nicht, dass es einem Leipziger Traditionsverein gelingen wird, daran etwas zu ändern.
Das ist traurig, aber realistisch. Deshalb muss man sehen, wie aus der aktuellen Situation das Beste gemacht werden kann.
Sicherlich wäre es als EIN starker Leutzscher Verein, leichter den Weg nach oben anzutreten und eventuell einmal vierte Liga spielen zu können. Aber allen denjenigen, welche dies bei diesem Fanabend immer und immer wieder lautstark forderten, möchte ich zu Bedenken geben, dass dies nicht an der BSG Chemie gescheitert ist. Letztendlich ist die BSG Chemie und ihr Vorstand sowie ihre Mitglieder, für meinen Geschmack, der falsche Adressat für diese Kritik.
Mir bleibt es bis heute weiterhin unverständlich, warum man im Sommer letzten Jahres die Leutzscher Spaltung, durch die Neugründung eines weiteren Vereines, zementieren musste.
Ist wirklich alles wie immer in Leutzsch? Die Schnellbootmentalität? Das Lautstarke äußern bei Fanveranstaltungen? Alkoholkonsum bei Fanveranstaltungen? Ja all dies kennt man schon irgendwie, auch noch vom FC Sachsen.
Was aber wirklich neu ist, ist der Realismus, mit dem der Restvorstand der BSG Chemie die Dinge anpackt und vor allem auch die Ehrlichkeit der Aussagen zu dem, was machbar ist und was nicht.
Und ausgerechnet das, widerstrebt einigen. Wahrlich ein Leutzscher Teufelskreis.
:respekt: