ZitatAlles anzeigenVon Schikane bis überzogener Härte: Die Vorwürfe von Fußballfans gegen Einsatzhundertschaften der Polizei nehmen zu. Speziell das bayrische USK steht immer wieder in der Kritik. Im Interview der Woche hat Eurosport mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann über Gewalt im Fußball gesprochen.
Das Interview führte Michael Wollny
Herr Minister, im polizeilichen Sprachgebrauch ist immer wieder von Risikospielen die Rede. Wie wird denn das Gefahrenpotenzial eines Spiels ermittelt?
Joachim Herrmann: Wir haben da seit Jahren ein sehr bewährtes System des bundesweiten Informationsaustausches. Darin sind die "Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze" in Nordrheinwestfalen, die Bundespolizei und natürlich die Einsatz führenden Spielortbehörden zusammengeschlossen. Dann werden Informationen ausgetauscht, etwa über die Höhe des verkauften Karten-Kontingentes, die Art und Anzahl der erwarteten Problemfans, die Anreisemittel, Erfahrungen aus früheren Begegnungen. All das läuft zusammen und dient dann als Grundlage für die örtliche Einsatzplanung.
Inwieweit sind da auch die Fanbeauftragten der Klubs involviert, die ja selbst die besten Kenntnisse über das Innenleben ihrer Szene haben?
Herrmann: Die Zusammenarbeit mit den Vereinen funktioniert bei uns in Bayern sehr gut. Dazu gehört natürlich auch der Kontakt zu den Fanbeauftragten. Wenn sie unmittelbare Hinweise haben, die relevant sind, dann werden diese Hinweise direkt an die Polizei weitergegeben. Wir haben darüber hinaus aber auch unsere eigenen szenekundigen Beamten, die teilweise selbst einen guten Kontakt zu den Fanbeauftragten der Klubs haben.
Nun stand zuletzt häufig das Unterstützungskommando Bayern im Fokus. Die Kritik zielt auf unverhältnismäßige Härte im Einsatz. Wieso muss diese schwergerüstete Zugriffseineheit überhaupt gegen Fans eingesetzt werden?
Herrmann: Gegen Fans wird überhaupt keine Einheit eingesetzt. Es geht darum, gewappnet zu sein, wenn es um gewalttätige Störungen kommt. Und weil leider auch immer wieder Hooligans in ihrer Besoffenheit zu Gewalttätigkeiten neigen und dabei auch schon schwere Gewalt verübt worden ist, brauchen wir da dann eben die Einheiten, die am besten im Umgang mit Gewalttätern geschult sind. Deshalb ist bei problematischen Fans das USK hin und wieder nötig und wird auch eingesetzt. Das ist aber nicht der Regelfall bei Fußballspielen.
Im Februar 2010 gab es während des Pokalspiels zwischen dem FC Bayern München und der Spielvereinigung Greuther Fürth konkreten Verdacht auf Körperverletzung im Amt. Trotzdem wurde nach dem Einsatz reflexartig alle Kritik abgewehrt. Die Wahrheit kam erst ein halbes Jahr später ans Licht. So etwas festigt nicht gerade die Glaubwürdigkeit.
Herrmann: Insgesamt haben wir sehr erfolgreiche Einsätze. Wenn im Einzelfall Fehler gemacht werden, dann wird das aufgearbeitet. Das betrifft sowohl die Frage, ob einzelnen Polizisten konkrete Vorwürfe zu machen sind, vor allem aber auch, welche Lehren man daraus für die Zukunft zieht, um Fehler zu vermeiden. Insgesamt aber ist das Auftreten der bayerischen Polizei zweifellos erfolgreich. Das wird in der Gesamtbetrachtung wohl auch von niemandem bestritten.
Von Amnesty international in Bezug auf das USK aber schon. Sie haben gerade von Hooligans gesprochen. Der Hooliganismus spielt aber seit Mitte der Neunzigerjahre im Umfeld des Profifußballs kaum mehr eine Rolle. Dafür hat sich mit den Ultras eine jugendliche Subkultur herausentwickelt. Es scheint, als würde man die kompromisslose Anti-Hooligan-Strategie von damals nun auf eine weitaus komplexere Fanszene anwenden.
Herrmann: Wenn jemand gewalttätig wird, wenn jemand im Stadion Brandsätze wirft, wenn jemand auf andere Fans mit brutaler Gewalt losgeht, wenn jemand schon auf der Anreise im Zug der Deutschen Bahn schwere Sachbeschädigung begeht oder auf andere Fahrgäste losgeht, dann hat das alles mit einem normalen Fußball-Fantum überhaupt nichts zu tun. Wir nehmen sehr genau wahr, was Hooligans sind, was Ultras wie auch immer sind. Aber es sind keine normalen Fußballfans. Unser Auftrag ist es, im Sinne der Sicherheit der gesamten Menschheit, Gewalttaten bestmöglich zu unterbinden und Gewalttäter festzunehmen. Da gibt es bei uns keinen Spielraum. Nur weil wir in Bayern da seit jeher sehr konsequent vorgehen, können wir auch dieses hohe Sicherheitsniveau in Bayern halten.
Bei den von Ihnen beschriebenen Fällen gibt es keine zwei Meinungen. Allerdings wirkt die pure Präsenz einer Einsatzhundertschaft wie des USK auch nicht gerade deeskalierend, wenn man sogenannte "Problemfans" gleich schon am Bahnhof in den Kessel steckt. Schließlich ist das Spannungsverhältnis zwischen beiden Seiten bekannt.
Herrmann: Es gibt zahlreiche Begegnungen, die völlig unproblematisch sind. Wir haben selbst ein Interesse daran, den Einsatz von Polizei so gering wie möglich zu halten. Das ist ja auch für die Beamten, die ein Wochenende nach dem anderen im Einsatz sind, kein Vergnügen. Aber wenn es im Vorfeld konkrete Hinweise gibt, dass Gewalttaten beabsichtig sind, dann ist das absehbar und es wird Präsenz gezeigt. Dann kann es auch sein, dass Problemfans schon am Hauptbahnhof abgeholt werden. Unsere Strategie ist grundsätzlich: Dort, wo wir Gewalt befürchten, sind wir mit einer massiven Polizeipräsenz vor Ort. Durch diese Präsenz sollen potenzielle Gewalttäter abgeschreckt werden.
Das ist die Strategie der Abschreckung. Aber was ist mit Prävention? Man hat das Gefühl, dass man gar nicht so genau über die Subkultur Ultrà Bescheid weiß, um angemessen mit der Szene umzugehen. Hier scheint es ein Kommunikationsdefizit zu geben. Wäre nicht mal ein Runder Tisch mit Vertretern beider Seiten sinnvoll, um sich auszutauschen?
Herrmann: Das ist in erster Linie die Sache der Vereine und Fanbeauftragten. Die sollten ihrerseits alles dafür tun, um ihre Leute auf den richtigen Weg zu bringen. Wenn Ultras ihrerseits nicht auffällig werden, ist das ja auch kein Problem. Wir haben aber im Bereich der Ultras leider immer wieder auch eine ganze Reihe negativer Erfahrungen gemacht.
Trotzdem nochmals die Frage: Das USK ist eine hochgerüstete Sondereinheit zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität und schweren Ausschreitungen, die mit Schlagstock und Pfefferspray schnell auch einfachste Pöbeleien beim Fußball "ahndet". Ist hier noch die Verhältnismäßigkeit gewahrt?
Herrmann: Die Polizei wird nie von sich aus handgreiflich. Das geschieht nur, wenn es vorher schon zu entsprechenden Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gekommen ist. Das hat jeder Fan selbst in der Hand, ob er die Polizei zu entsprechenden Einsätzen veranlasst, oder nicht.
Sie sehen mit dem USK die Verhältnismäßigkeit also gewahrt?
Herrmann: Das USK wird dann tätig, wenn es notwendig ist.
Selbst bei Ordnungswidrigkeiten?
Herrmann: Wenn jemand am Rande von Fußballspielen gewalttätig vorgeht, dann muss die Polizei eingreifen. Egal, ob das das USK ist, oder andere Polizeibeamte. Wenn an einem Samstag in München ein Fußballspiel stattfindet, dann hat der Rest der Bevölkerung das Recht, ungestört in der Innenstadt die Fußgängerzone zu genießen, oder mit der U-Bahn zum Einkaufen zu fahren. Es gibt für welche Fußballfans auch immer kein Recht, beispielsweise andere Bürger, die sich beim Einkaufen befinden, anzupöbeln oder in einer U-Bahn zu randalieren. Das ist aber leider bei manchen Problemfans die Situation. Und das ist dann auch Anlass für die Polizei einzugreifen.
Teil 1