Die Ultras Frankfurt haben es auf den Punkt gebracht.
ZitatAlles anzeigenUltras Frankfurt im Juni 2012
Aktuelle Situation in Fußballdeutschland
STOP! SO kann es nicht weitergehen! Diese einleitenden Worte eines Artikels in der BILD-
Zeitung passen wie die Faust auf's Auge (oh, sorry, viel zu gewalttätig) zur aktuellen
Diskussion rund um Gewalt und sonstigen Handlungen rund um Fußballspiele. Denn SO, wie
spätestens seit dem Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC in nahezu
allen Medien berichtet wird, geht es wirklich nicht weiter. Halb- und Unwahrheiten,
Übertreibungen, Populismus, Lügen und Hysterie, wohin man nur schaut. BILD, Spiegel, FR,
kicker, ARD, ZDF - die Liste ließe sich endlos fortführen. Und letztendlich geben all diese
Blätter und Sender ja auch nur eine generell vorherrschende Stimmungslage wieder, die durch
„bumsdumme” Äußerungen von Politikern, Funktionären, Spielern und so genannten
Moderatoren noch bestärkt wird. Eine unheilige Allianz...
Doch schauen wir mal genauer hin, worum es überhaupt geht. Was hat - diesen Eindruck kann
man problemlos bekommen - Deutschland an den Rande des Abgrunds gebracht? Es waren
sicher mehrere „Vorfälle”, das Fass zum überlaufen gebracht hat dann aber besagte Partie in
Düsseldorf. Frustrierte Hertha-Fans wollten sich nicht mit dem drohenden Abstieg abfinden
und das Spiel abbrechen. Über die Art und Weise kann man streiten, wirklich viel passiert ist
aber selbst da nichts. Und dann feiern tausende Fußballfans - Männer, Frauen und Kinder -
die Rückkehr ihres Vereins in die Bundesliga nach 15 langen Jahren, interpretieren einen Pfiff
des Schiedsrichters falsch, rennen freudetrunken und friedlich auf das Spielfeld und nach ein
paar Minuten wieder runter. Und was passiert? Der Fernsehkommentator weiß gar nicht
wohin mit seiner Empörung, Fanforscher Johannes B. Kerner verwechselt die Fußball- mit
seiner Kocharena und faselt von Roter Grütze, Scholl erweist sich als Experte für soziale
Netzwerke und weiß von Absprachen der Hooligans in Sachen Pyro zu berichten, der Hertha-
Anwalt spricht am nächsten Tag von „Spielern mit Todesangst”, die Medien reden vom
„Mega-Skandal”, vom „Chaos-Spiel”, im Spiegel fällt das Wort „Blutbad”. Und wer dann
dachte, damit wäre der Höhepunkt erreicht, wurde in den folgenden Tagen eines besseren
belehrt.
Die Frankfurter Rundschau zauberte einen Kommentar aus dem Hut, in dem von der
Notwendigkeit der Sicherheitskräfte gesprochen wird, da sich sonst die gegnerischen Fans an
die Gurgel gehen würden. So geschehen in Karlsruhe, in Düsseldorf - und in Ägypten. Dass
die Vorkommnisse in Port Said mit 74 Toten ganz andere Hintergründe - Rache an den Ultras
von Ah-Ahly, da diese während der Revolution an vorderster Front kämpften - hatten und
nicht annähernd in eine Reihe mit den Vorkommnissen rund um die Relegationsspiele gesetzt
werden dürfen - geschenkt. Der Chefredakteur des kicker haute einen Kommentar raus, der ja
sogar im Eintracht-Forum schon genüsslich und zu genüge zerpflückt wurde. Da ging es um
„Zustände wie im Bürgerkrieg“, die Wiedereinführung von Sippenhaft, um „Blöcke, in denen
Hooligans unter Applaus ihre Straftaten planen“, undsoweiter. Wie bereits erwähnt, gelungene
Repliken finden sich im Eintracht-Forum. In der BILD stellte Kommentator Alfred Draxler
einen Katalog an Forderungen auf. Dieser enthielt die Abschaffung von Stehplätzen, den
Einsatz noch modernerer Kameratechnik, die Personalisierung von Eintrittskarten und - man
höre und staune - „Stadionverbot für überführte Täter”. Mensch, dass da noch keiner drauf
gekommen ist. Und Herr Draxler hat auch sofort den Grund für die Dringlichkeit seiner
Forderungen parat. Schließlich „sollten [bei uns] nicht erst Menschen sterben, ehe
durchgegriffen wird...” Passt ja zu der Todesangst, die die Hertha-Spieler hatten, als kleine
Fortuna-Fans mit ihrer Mama auf dem Rasen herumgeturnt sind.
Doch auch das Fernsehen widmete sich dem Thema der angeblich immer stärker werdenden
Fan-Gewalt. Bei frontal21, einem ansonsten sehr kritisch berichtenden Magazin auf ZDF,
kam unkommentiert ein Vertreter einer Polizeigewerkschaft zu Wort, der „gesicherte
Erkenntnisse” darüber hatte, dass diverse Profivereine ihren Ultras unter der Woche Zugang
zu den Stadien verschaffen, damit diese dort Pyro-Depots anlegen können, aus denen sich
dann regelmäßig bedient werde. Eine feine Beobachtungsgabe hat der Mann. Sieht man ja an
den beinahe wöchentlichen Pyro-Exzessen in den Heimkurven. Auch die großen Polit-
Talkshows beschäftigten sich nun lieber mit dem Thema der Fußballgewalt, als ja nun
wahrlich dringlichstes Problem der heutigen Zeit, und die Creme de la Creme der
ausgemachten Fanexperten von Bernd Stelter bis Marjike Amado durfte ihren Rüssel in die
Kamera halten, um in Stammtisch-Manier über Dinge zu sprechen, die sie zumeist allenfalls
aus der Ferne mitbekommen: Bei Sandra Maischberger faselte diese von den Ultras als
„Taliban der Fankurven”, was dann sogar einen Herrn Spinner - Präsident beim 1. FC Köln -
erzürnte, und ihr Gast Werner Schneyder schoss den Vogel ab. Sprach er doch allen ernstes
davon, dass er - langjähriger Sportkommentator übrigens - am Vortag zum ersten Mal von so
genannten Choreographien gehört habe. Diese erinnerten ihn an faschistische Rituale und
seien der letzte Schwachsinn. Abgewöhnen sollte man so etwas diesen Leuten. Es gibt so
manche Sachen, die kann man gar nicht kommentieren, weil sie so weltfremd sind.
Schneyders Ausführungen gehören dazu.
Und dann war da ja noch Frank Plasberg mit seiner durch GEZ-Gebühren finanzierten ARD-
Sendung „Hart aber fair”. Die dortigen Protagonisten konnten einem aufgrund ihrer
Dummheit schon fast wieder leid tun, die vorgetragenen Meinungen waren so unfassbar, dass
sie fast schon wieder lustig waren. Oliver Pocher stieg mit dem Statement ein, dass echte Fans
„niemals Pyrotechnik in der Unterhose ins Stadion schmuggeln würden.” Abgesehen davon,
dass man sich fragen darf, mit welcher Legitimation ein Oliver Pocher als Experte zum
Thema „Fan-Gewalt” überhaupt eingeladen wird, ist es eine durchaus abenteuerliche
Argumentation, die Kategorisierung als Fan oder Nicht-Fan an einem Schmuggeln von Pyro
festzumachen. Während der Sendung brillierten Pocher und sein Kollege Johannes B. Kerner
dann mit eindringlichen Analysen und purem Insiderwissen. So konnte Kerner von 50
Waldhof-Fans berichten, die Darmstädter angegriffen und sich hinter als unschuldig
bezeichnet hätten. Hätte der gute Mann seinen Beruf - er schimpft sich allen Ernstes
Journalist - ernst genommen, wäre er mit ein wenig Recherche darauf gestoßen, dass der
Großteil der beschuldigten Waldhof-Fans auch tatsächlich unschuldig war. Später setzte er
dem ganzen noch die Krone auf, verwies Polizeigewalt in das Reich der Fabeln, leugnete
jedwede Faszination von Feuerwerk und demonstrierte „eindrucksvoll” die Gefahren von
Pyro. Bekanntlich wird jede Fackel in den Stadien an Kinderkörper gehalten. Aber ist schon
klar, dass Pocher und Kerner wissen, was da abgeht. Immerhin sitzt Pocher im VIP-Bereich,
und Kerner hat als Hertha-Fan ne Dauerkarte beim HSV... Außerdem bleibt zu hoffen, dass
Johannes B. Kerner zum Schutze seiner körperlichen Unversehrtheit die Silvesternächte
regelmäßig im dunklen Keller verbringt. Der gute Mann muss auf offener Straße doch
ansonsten wahre Angstzustände bekommen!