Neues vom Chaosblogger
„… solange die Wellenreiter lästern weiß ich, dass es nichts Besseres gibt …“ BSG CHEMIE LEIPZIG
Dieses „solange die Wellenreiter lästern weiß ich, dass es nichts Besseres gibt“ sangen einst die Toten Hosen in ihrem Lied, Wort zum Sonntag. Es gibt eigentlich momentan kaum eine Liedtextzeile die mein persönliches Empfinden besser beschreibt. Ja ich bin Fan von einem Sechstligisten und ja ich bin unglaublich Stolz darauf. Solln sie doch Lästern, die RB-Fans, die Lok-Fans oder die Fans der anderen Vereine, sollen sie doch Lästern über Chemies Niedergang und über die Spaltung, sowie die Grabenkämpfe in Leutzsch, ich weiß das es derzeit in Leipzig nix besseres gibt als die Betriebssportgemeinschaft Chemie Leipzig.
Dabei war meine Liebe zum Leipziger Fußball in der Sommerpause fast tot.
Diese Sommerpause war sicherlich die spannendste und die nervenaufreibenste die es jemals gab.
Nachdem ich mich vom FC Sachsen abgewendet hatte, zu groß war die Differenz zwischen meiner Meinung über das Vereinsumfeld und die Entwicklung des Vereines und der Wirklichkeit geworden, stand ich zunächst etwas orientierungslos im Raum. Klar bin ich zu den Spielen von Chemie in der Kreisklasse gegangen, um meine Freunde zu treffen und Spaß zu haben, dennoch war es nicht vergleichbar mit dem Gefühl, das ich einst hatte als ich mich in Chemie verliebte.
Der FC Sachsen hielt es keine drei Monate mehr aus und dann geschah das von allen Propehzeite, er konnte die Insolvenz nicht zum gutem Wenden und sollte Aufgelöst werden. Innerlich pochte mein Herz wie wild, niemals, wirklich niemals in den letzten 4 bis 5 Jahren, war die Chance größer den Leutzscher Fußball zu retten und wieder zu einen. Doch es kam was wohl kommen musste, die verbliebenen BSG kritischen Leute beim FC Sachsen gründeten die SG Leipzig Leutzsch. Die Spaltung war zementiert und für mein Empfinden sogar noch vergrößert. Doch die BSG Chemie Leipzig reagierte richtig, schloss sich mit Blau-Weiss Leipzig zusammen. Auch wenn ich diesen Schritt damals kritisch betrachtet habe und in ihm den Verrat der eigenen Werte gesehen habe, muss ich im Nachhinen sagen, alles richtig gemacht. Zu jenem Zeitpunkt galt die zweite Mannschaft des FC Sachsen als abgestiegen, so dass der Schritt mit Blau-Weiss Leipzig die einzige logische Konsequenz war, um die sechste Liga für den Leutzscher Fußball zu erhalten. Das die zweite des FC Sachsen später, durch das zurückziehen eines anderen Vereines die Sechste Liga erhalten sollte und man fortan ein Leutzscher Derby erleben sollte, ist nur ein weiterer trauriger Höhepunkt in diesem nervenaufreibenden Sommer gewesen.
Für mich stand seit der Gründung der SGLL sofort fest, das hier und jetzt nur noch Chemie zählt und ich den Weg des Vereines mit dem größtmöglichem Bezug zu Chemie mitgehen werde und das dies niemals die SGLL sein wird. Und dennoch stand ich im Sommer vor Gewissenskonflikten, bin ich noch Chemiker und wenn ja was für einer?
Nach langen Verhandlungen war es dann endlich soweit, die BSG Chemie Leipzig spielte seit 20 Jahren wieder ein Spiel im Alfred-Kunze-Sportpark, zunächst nur ein Testspiel auf einem Nebenplatz. Aber dennoch die Emotionen, welche bei diesem Spiel vorherrschten waren unbeschreiblich, man sah gestandene Männer weinen. Danach wusste ich irgendwie hier scheinst du richtig zu sein, hier kann etwas großes entstehen.
Dies wurde natürlich beim erstem richtigem Spiel der BSG Chemie bestätigt, Eilenburg hieß der Gegner und 1.700 Zuschauer wollten sich das nicht entgehen lassen. Eintausendsiebenhundert, wahnsinn! Chemie lebt wieder. Dazu diese unfassbare Choreo, die Tränen in den Augen fast aller Beteiligten und der unbeschreibliche 2:0 Sieg. In mir kribbelte es wieder, mein Verstand und mein Herz verlangten nach mehr.
Auf der darauf folgenden Mitgliederversammlung wurden die Weichen für die Zukunft des Vereines gestellt. Der Vorstand wurde komplett neu besetzt, ein Revisor, ein Ehrenrat und der Aufsichtsrat bestellt. Viele Ämter wurden von Ultras, Fans und Leuten aus der Kurve übernommen. Der wichtigste Tagesordnungspunkt, die Umbenennung in Betriebssportgemeinschaft, wurde einstimmig beschlossen. Die endgültige Rückkehr zu den alten Wurzeln war besiegelt.
Auch wenn die Besetzung der Ämter durch die Fans ein wenig kritisch zu sehen ist. Zwar ist es schön einen Verein zu haben, welcher durch die Fans geführt wird, dennoch fehlen natürlich wichtige und kluge Köpfe, welche etwas von Wirtschaft verstehen oder Erfahrungen in der Führung eines Vereines haben. Dies mag in den unteren Ligen noch zu verkraften sein, aber auf dauer könnte diese Umstand unsere Fortentwicklung als Verein durchaus bremsen.
Dennoch hinderte mich das nicht daran, einen Familienurlaub vorzeitig zu verlassen um am erstem Auswärtsspiel in Markkleeberg teilzunehmen. Wahnsinn, 800 bis 1.000 Chemiker im Gästeblock, wieder ein 2:0 Sieg. Die Mischung aus Jung und Alt stimmte an diesem Tag und der vorzeitige Urlaubsabbruch hatte sich sehr gelohnt. Und dennoch wurde an diesem Tag aufgezeigt, das man jetzt wieder mit einem Verein unterwegs ist, dem eine größere Ultragruppierung nahesteht. Repressionen und Überwachung stehen ab jetzt Auswärts wieder auf der Tagesordnung und auch Dinge wie Stimmungsboykott aus Protest gegen Repressionen, sind ab jetzt wieder aktuell. Ich glaube ein wenig müssen sich alle erst wieder daran gewöhnen.
Es folgte ein weiterer Sieg gegen Oelsnitz und die zwischenzeiltiche Tabellenführung, dann die erste richtige Auswärtsfahrt nach Kamenz und eine 5:0 Klatsche für die BSG Chemie. Das beeindruckende an dieser Niederlage war jedoch der Zusammenhalt zwischen Fans und Team. Trotz Regens und schlechtem Spiel, wurde die Mannschaft 90 Minuten nach vorn gepeitscht und nach dem Spiel gefeiert, als ob sie 5:0 gewonnen hätte. Die Spieler wurden mit tröstenden Worten in die Kabine verabschiedet und der Blick, oder viel mehr das ungläubige Staunen, einiger Spieler verriet, das sie sich just in dem Moment bewusst wurden, dass sie für einen ganz großen Verein spielen.
Es folgten Wochen der sportlichen Eintönigkeit und leider auch der Talfahrt. So wurden unnötige Punkte gegen Plauen II, Hohenstein-Ernstal, Bischofswerda und Neugersdorf verschenkt. Da merkte man das erste mal richtige Enttäuschtung über die sportliche Miserie bei den Fans.
Sicherlich man hatte, trotz der wahnsinnigen Ergebnisse in der Vorbereitung und bei den ersten Spielen, nicht erwartet Aufzusteigen. Aber mit dem Kader und den Investitionen ins Spielermaterial darf einfach ein anderes sportliches Auftreten erwartet werden, als dies mitte der Hinrunde der Fall war.
Es folgte das sinnloseste Derby der Welt gegen die SGLL. 2.700 Leute haben diesem beigewohnt. Die überwiegende Mehrzahl auf Seiten der BSG Chemie Leipzig. Für mich ist dies ein klares Zeichen, was die Leutzscher Fanseele will. Einen starken Verein unter dem Namen Betriebssportgemeinschaft Chemie Leipzig, welcher ehrliche Arbeit und ehrlichen Fußball ohne größenwahn anbietet. Ich denke wir sind auf einem gutem Weg dieses Angebot zu verwirklichen.
Aber auch bei diesem Spiel muss ich leider nocheinmal kritisch auf die Situation zurückblicken. Die Szenen nach dem Spiel als ca. 250 leute sich von ca. 20 leuten provozieren ließen und richtung Spielereingang rannten, just in dem Moment als die Mannschaft an den Zaun kam um sich zu bedanken. Da hätte ich mir ein wenig mehr Feinfühligkeit gewünscht und auf Ignoranz gegenüber den Idioten gehofft. Dies hätte den insgesamt positiven Tag für die BSG Chemie sicherlich abgerundet. So war ich danach das erste mal seit langem wieder richtig frustriert und die Medien fanden in den bösen „Gewalttätern“ beider BSG Chemie wieder ihre Berichterstattung.
Es folgte dann das wohl beste Spiel der Saison gegen die zweite Mannschaft von Rasenball, mit einem 2:0 Sieg und einer wahnsinnigen Stimmung. Dabei lag das Hauptaugenmerk auf der Unterstützung des eigenen Vereines und man gab den Rasenballer das was sie verdienen, 90 Minuten ignoranz, indem auch kein einziger Schmägesang dem Gegener gewidmet wurde. Sehr gut, so muss das sein, der Chemiker schaut auf sich.
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